Okt 20

Liebe Schachfreunde,
mit einer Doppelrunde begann die Saison 2014/15 der Oststaffel der zweiten Bundesliga. Neuerdings – seit dem vorigen Spieljahr, um genau zu sein – werden die Wettkämpfe in dieser Staffel an fünf Wochenenden anstelle von neun Einzelspieltagen ausgetragen. Unsere erste Mannschaft schlug sich am Auftaktwochenende in Neutraubling wacker (sorry für das Wortspiel – Autofahrt und Doppelkopfrunde mit Heiko prägt etwas), jedoch nicht überwältigend. Mit 2:2 Mannschaftspunkten und dem Teilerfolg, nach dem ersten Tag vorübergehend Tabellenführer gewesen zu sein, kehrten wir aus Bayern zurück.

Unsere Gegner waren die Gastgeber von Wacker Neutraubling sowie SK Passau. Vielleicht sollte ich vornweg darauf hinweisen, dass wir ein klarer Abstiegskandidat sind und gleich zu Beginn gegen zwei direkte Konkurrenten (zumindest aller Erwartung nach) antreten mussten. Insofern könnte es durchaus sein, dass diese Doppelrunde bereits einen Ausblick auf unsere Klassenerhaltsaussichten gibt. Unser Team konnte am Samstag gegen Neutraubling überraschend hoch punkten, musste sich Passau am Sonntag jedoch knapp geschlagen geben. Unser Reisepartner Aue ist übrigens eine der Spitzenmannschaften und wurde, soviel nur am Rande, seiner Favoritenrolle auch sofort deutlich gerecht.

Unsere Mannschaft hat gegenüber dem Vorjahr eine Verjüngung erfahren; Manfred Böhnisch und Thomas Schubert sind herausgerutscht, ebenso Andreas Schultz, dafür verstärken uns seit der aktuellen Saison Leonard Richter und Hannes Langrock. Auch Erik Schäfer ist als Stamm aufgestellt, wurde heuer aber von Matthias Liedtke ersetzt. Ich kann mich vage an Zeiten erinnern, in denen ich für die unkonventionellen Partieanlagen bei Mannschaftskämpfen zuständig war, und hatte gehofft, diesen Status auch ungeachtet der neu eingegliederten Kräfte beibehalten zu können, doch die beiden Rundenverläufe zeichnete ein gänzlich anderes Bild.

Zu den Geschehnissen im einzelnen, beginnend mit dem Samstagsmatch. Bei etwa der Hälfte der Spieler (Heiko, Hannes, Joachim und meine Wenigkeit) war am Anfang wenig los, insbesondere Heiko remisierte schnell, aber bei den anderen brannte schon sehr zeitig das Brett. Hervorheben möchte ich Stephan, der seinen Gegner mit Weiß auf eine Weise angriff, die mich an meine eigene Spielweise in Minutenblitz-Partien erinnerte. Über Zigurds Lanka war ich mit dem Begriff „Stachelschwein“ (als Steigerung des „Hausigels“) vertraut gemacht worden; Monty Pythons „Killer-Kaninchen“ trifft es wohl eher.

Die Partieanlage von Matthias war gleichermaßen denkwürdig. Unser achtes Brett wählte im sechsten oder siebten Zug eine selten gespielte Gambitvariante im Königsinder, doch der Gegner lehnte das Opfer rotzfrech ab und parkte im Gegenzug seinen Bauern vor Matthias‘ Haustür. Daraufhin war unser Mann so verdutzt, dass er gefühlt eine halbe Stunde investierte und sich schließlich dafür entschied, sich nicht um die diversen hängenden Bauern zu kümmern, sondern seelenruhig seinen Läufer zu fianchettieren – objektiv die falsche Reaktion, wenngleich megacool. Das wiederum brachte den Gegner aus seinem Konzept, welcher ebenfalls eine halbe Stunde verstreichen ließ. Infolgedessen waren die beiden noch im zehnten Zug, als sich andere Partien schon dem Ende neigten.

Zwischendurch gewann Leo; in bereits aussichtsreicher Stellung profitierte er von einem Einsteller seines Gegners, wurde mir zugetragen. Hannes erreichte wenig und teilte irgendwann den Punkt. Joachim geriet aus der Eröffnung heraus in ein minimal schlechteres Doppelturm-Springer-Endspiel, dort wurde jedoch noch eine Weile weitergespielt. Euer Berichterstatter musste sich mit einem stabilen Stonewall-Aufbau des Gegners auseinandersetzen und kam zunächst auch nicht über Ausgleich hinaus. Und dann war da noch Wilfrid.

Ich habe es vor ein paar Jahren aufgegeben, Wilfrids Partien verstehen zu wollen, und das war sicher eine gute Entscheidung, die mich ein paar Jahre länger leben lässt. Konkret ist mein derzeitiger Eindruck, dass er jedesmal, wenn bei ihm eine Figur angegriffen ist, einfach dadurch reagiert, dass er woanders auf dem Brett eine gegnerische Figur attackiert – das Wegziehen oder Decken eigener Klötzer ist anscheinend überbewertet. Die gute Nachricht ist, dass er darin mittlerweile so viel Erfahrung besitzt, dass zumindest dieser Gegner nicht dagegen ankam. Als sich der Rauch verzogen hatte, stand ein gewonnenes Endspiel für Wilfrid auf dem Brett.

Stephan gewann in ähnlich kompromisslosem Stil. Seine bereits weiter oben angedeutete Herangehensweise wurde Stück für Stück ausgebaut und der gegnerische Königsflügel so weit zusammengeschoben, bis es etwas Zählbares einzusammeln gab. Das Ende habe ich nicht mitbekommen, es schien aber mit rechten Dingen zuzugehen. Wenig später stand Matthias mit einem halben Punkt vom Brett auf, mit dem keiner von uns gerechnet hatte. Er hatte sich von Zug zu Zug durch seine Ruine gehangelt und auf schwer erklärbare Weise in ein Endspiel gerettet, welches wohl in der Remiszone oder wenigstens in der Nähe davon gelegen haben muss. Damit stand es 4,5:1,5 für uns.

Leider misslangen mir etwa zeitgleich alle Gewinnversuche, obwohl mein Gegner neben einer zwischendurch ziemlich platten Stellung auch noch mit Zeitnot gestraft war. Er verteidigte sich zäh und kam, nachdem ich es beinahe übertrieben hätte, sogar zu etwas Vorteil. Die Partie endete letztlich mit einem Dauerschach meinerseits. Den Schlusspunkt setzte Joachim, dessen Gegner es wohl wirklich übertrieben haben muss, mit einem Kontersieg im Endspiel. Mit 6:2 fiel unser Sieg geringfügig höher als verdient aus, doch die Einstellung stimmte vorn und hinten, und der Mannschaftssieg war auf jeden Fall leistungsgerecht.

Dieses Ergebnis, welches uns für einen Tag lang auf den ersten Tabellenplatz katapultierte, wurde mit einem gepflegten Abendessen und anschließend einer gemütlichen Doppelkopfrunde zelebriert, wobei wir über das Ergebnis der letzteren lieber den Mantel des Schweigens breiten wollen. So traten wir am Sonntag vermeintlich gut gerüstet an die Bretter. Unsere Gegner aus Passau, welche von Aue am Vortag mit 5,5:2,5 verarbeitet worden waren, hatten ihre Aufstellung zu unserer großen Überraschung massiv verstärkt, und es sollte einen harten Kampf auf Augenhöhe geben.

Joachim, vielleicht noch erschöpft von dem langen Endspiel am Samstag, war diesmal als erster fertig. Er besaß leichten Vorteil, wenngleich nicht in gewinnverdächtigen Ausmaßen, und genehmigte sich ein frühes Remis. An den anderen Brettern wechselten sich Licht und Schatten ab, allerdings leider nicht zu gleichen Teilen, sondern eher in der Kategorie einer Sonnenfinsternis. Stephan, Matthias, Heiko und ich standen alle nicht gerade beglückend, die Stellung von Hannes war schwer zu durchblicken, und nur bei Leo und Wilfrid gab es in der frühen Partiephase Hoffnung.

Unser Kapitän teilte dann mit seinem Gegner ebenfalls den Punkt. Ich habe von seiner Partie kaum etwas mitbekommen, aber sein Gesicht sah nie besonders glücklich aus, und nach den Erfahrungen des Vortages bin ich geneigt, die Mimik unserer Spieler viel eher zur Stellungsbewertung heranzuziehen als, sagen wir, ordinäre Kriterien wie Materialverhältnis und Königssicherheit. Während beim vorangegangenen Kampf gegen Neutraubling in der folgenden Wettkampfphase die Partien zu unseren Gunsten zu kippen begannen, trat diesmal leider genau das Gegenteil ein.

Heiko hatte im späten Mittelspiel plötzlich einen Bauern weniger. Ich glaube, er hat diesen mit Hoffnung auf Initiative freiwillig gegeben, nachdem er laut eigener Aussage in der Eröffnung versehentlich die Züge vertauscht hatte. Als die Zeitnot seines Gegners akut wurde, nutzte unser zweites Brett die Gelegenheit zu einer Zugwiederholung. Bei Wilfrid verflachte die Stellung nach der Eröffnung schnell, so dass es auch hier zu einem friedlichen Ende kam. Mit diesen vier Remisen hatten wir das Kontingent guter Stellungen allerdings auch schon ausgeschöpft, und wir kämpften – bis auf Hannes vielleicht – alle mehr oder weniger mit dem Rücken zur Wand.

Matthias hatte eine schlechte Materialkonstellation (Springer und Läufer gegen starkes Läuferpaar) auf dem Brett, dazu kamen allmählich noch Bauernschwächen. Bei Leo kam es zu einer kritischen Abwicklung, infolge derer sich unser Spieler mit Turm und zwei Bauern gegen ein gleichermaßen starkes Läuferpaar zur Wehr setzen musste. Beide verloren letztendlich ihre Partien, wobei ich wiederum nicht sagen kann, wie es genau zu Ende ging, denn ich musste ja nebenbei auch noch selbst Schach spielen. Meine Pirc-Variante, mit der ich in der Vergangenheit gute Erfolge erzielen konnte, versagte heute den Dienst.

Wie schlecht ich genau stand, kann ich nicht sagen, aber ich hätte für meinen König keine Schecks mehr unterzeichnet, und selbst die Quotengeier in den eigenen Reihen waren nicht gewillt, noch große Beträge auf einen glücklichen Partieausgang zu setzen. Mein Gegner erhöhte langsam aber stetig den Druck und wickelte in ein gewonnenes Damenendspiel ab. Nun bin ich bekanntlich nicht der aufgebende Typ, wenn es noch einen Funken Hoffnung gibt, und siehe da, der Gegner wählte kurz vor seinem Triumph den falschen Freibauern als das Instrument seines vermeintlichen Sieges aus. Ich konnte so eine Art Festung aufbauen und den halben Punkt festhalten.

Den Ehrentreffer schoss Hannes nach ungefähr fünf Stunden. Sein Mittelspiel war lange verworren gewesen, aber im Schwerfigurenendspiel zeichneten sich allmählich Vorteile ab, und unser Neuzugang konnte schließlich in ein leicht gewonnenes Turmendspiel einlenken. Damit verkürzte er zum 3,5:4,5 – ein trauriger, aber insgesamt verdienter Endstand, welcher die Klassenerhaltschancen der Gegner auf Kosten unser eigenen Hoffnungen nährt. Natürlich steht die Saison gerade erst am Anfang, aber rein zahlenmäßig gibt es nicht allzu viele schlagbare Gegner in dieser Staffel, und ein zweiter Sieg wäre möglicherweises wichtig gewesen.

Als nächstes steht uns erstmal eine lange Pause bevor. Der folgende Wettkampf in drei Wochen wäre der gegen den Reisepartner Aue gewesen, doch mit geduldigen Bemühungen gelang es, diesen auf Ende Januar zu verlegen. Somit geht es für uns erst Anfang Dezember weiter, und zwar gegen Erfurt und Bindlach, zwei weitere nominell deutlich stärkere Mannschaften. Bis dahin hat der Rest der Staffel schon die halbe Saison hinter sich gebracht, so dass wir dann besser einschätzen können werden, wo wir stehen.

Soweit die Zusammenfassung unserer ersten Spieltage. Bei der Gelegenheit übrigens Glückwunsch an die Spieler unserer zweiten Mannschaft, die beeindruckend gepunktet haben und sich aktuell anschicken, unseren Startplatz in der zweiten Liga zu übernehmen. Am Freitag wird es noch eine Nachbetrachtung mit Partievorstellungen am Demobrett geben; wir hoffen auf zahlreiche Zuschauer und -hörer.


7 Antworten auf “2. Bundesliga Ost, Runde 1+2: Neutraubling – SGL 1 und SGL 1 – Passau”

  1. 1. Roland schrieb:

    Joachim hat der Mannschaft nicht nur 1,5 Punkte am Wochenende beschert, sondern auch noch gleichzeitig die Wettkämpfe in Bildern festgehalten – dafür vielen Dank! Seinen Bericht, wie immer lohnenswert, findet ihr hier bzw. hier.

  2. 2. Joachim Solberg schrieb:

    Es war ein schönes Wochenende, Roland. Es tut mir ein bisschen leid, dass ich gestern nicht die erwartete Leistung bringen konnte.Gesundheitlich ging es mich nicht so gut am Wochenende. Viel Husten und Astmaprobleme machte das Schachspielen unsicher bis Samstag. Am Freitag abend sah es schlim aus. Mit starken Gegnern ging ich pessimistisch zu den Spielen. Am Samstag ging es einigermassen ok, obwohl meine Partie normalerweisse remis enden sollte.Am Sonntag spürte ich, dass ich das Faden verlor und bot remis – in eine ausgeglichener Stellung. Ich hatte dann leider nicht entdeckt wie schwierig es bei Matthias, Roland und Leonard stand. Ich hoffe, ich kann die Mannschaft besser helfen in den nächsten Spielen, obwohl mächtige Gegner auf uns warten. Sonst Gratulation an die zweite Mannschaft für den Sieg. Beeindruckend finde ich besonders die Ergebnisse von Paul Zebisch. Echt stark was er bis jetzt gemacht hat!

  3. 3. André schrieb:

    Danke Roland für den sehr schönen und ausführlichen Bericht!
    Laut dem Liga-Orakel werden wohl die Partien gegen Rosenheim und Bad Mergentheim entscheiden.

  4. 4. Till schrieb:

    Das Ligaorakel sagt auch wir steigen ab. 🙂

  5. 5. Reyk schrieb:

    In der Tat sagt das Orakel vor allem, dass die Niederlage gegen Passau besonders schmerzlich und der Sieg gegen Neutraubling ein Pflichtsieg war. Rosenheim hat es ja eher weniger auf dem Schirm. Ungünstig wohl auch der Forchheimer Sieg gegen Bindlach. Trotzdem hoffe ich auf die genannten und Bad Mergentheim als Abstiegskandidaten. Letztere weil sie zwar im Stammachter ganz gut aufgestellt sind, aber doch eine eher alte Mannschaft haben und eine deutliche abfallende Ersatzbank.

  6. 6. André schrieb:

    Upps, ich meinte natürlich auch Forchheim und nicht Rosenheim, das klingt aber auch verdammt ähnlich… 😉

  7. 7. Till schrieb:

    Das wird schon klappen, schade das ich morgen leider keine Zeit habe mir die Partien anzuschauen. 🙁 Hermann wollte glaube auch noch einen Bericht von unserem Wochenendausflug verfassen 😛

Kommentieren Sie den Beitrag!