Jun 13

Da waren wir natürlich schon da.
Da waren wir natürlich schon da.

Hier noch mal der Link zu den Ergebnissen. (Übrigens ein sehr lesenswerter und reich bebilderter Bericht. Deswegen möchte ich ein wenig mehr auf die Hintergründe eingehen.) Wenn es nach Hendrik am Samstag gegangen wäre, würde dieser Beitrag hier enden. Hendrik am Sonntag hingegen würde wohl doch auf eine Fortsetzung bestehen. Doch der Reihe nach.

Tatsächlich haben wir uns am Halbfinaltag nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

SR Martin Sebastian hatte alles im Griff
SR Martin Sebastian hatte alles im Griff

Auslosungsbärchen
Auslosungsbärchen
– wenigstens hier gab’s Gold.
Christian Eichner mit Technikcheck
Christian Eichner mit Technikcheck

Die Auslosung bescherte bereits am Samstag das Elefantenduell. Aus sportlicher Sicht ist das natürlich nicht befriedigend, und man könnte überlegen, ob man ab dem Halbfinale nicht setzt, aber dies würde dem Pokalcharakter widersprechen.
In einem epischen Kampf setze sich dann die SG Porz, seines Zeichens insbesondere Loek van Wely gegen Rustam Kasimdshanov, knapp durch. Jan Gustafsson hatte noch am ehesten die Chance, am Gleichgewicht der Kräfte zu rütteln, was aber auf Grund des Ausganges am ersten Brett ohnehin keinen entscheidenden Einfluss genommen hätte.

Das Schlüsselduell an 1 bei Porz – Baden
Das Schlüsselduell an 1 bei Porz – Baden
Blick in den Saal
Blick in den Saal

Wir durften also gegen den engagierten Gastgeber spielen.
Zwar waren wir auch in diesem Wettkampf recht klarer Außenseiter, aber gewisse Chancen hatten wir uns doch ausgerechnet. Die Stellungen von Andreas und mir gaben leider ausgangs der Eröffnung schon Anlass zur Sorge. Ich versuchte in einem Drachen auf eine seltene, trotzdem schon zweitligaerprobte Variante auszuweichen, hatte damit aber wenig Erfolg. Der Einsteller am Schluss der Partie verkürzte nur die Leiden.

Andreas hatte in einem Holländer den typischen kleinen Vorteil. Beim Versuch, das standard­mäßige e4 durchzudrücken, gestattete unser drittes Brett das sofortige f4, welches die weißen Reihen kräftig durcheinanderwirbelte. Durch die nunmehr zerstörte Struktur am Königsflügel fluteten immer mehr schwarze Figuren ein, so dass es nicht Wunder nahm, dass ein taktisches Motiv zum Untergang führte.

Einzig Hendrik verwaltete eine etwas erfreulichere Stellung. In einer geschlossenen Sizilianisch-Struktur konnte er zeitig das einengende f5 verwirklichen und pochte auf einen schönen positionellen Vorteil. Sein gesundheitlich angeschlagener Gegner verteidigte sich aber zäh, so dass sich der vermeintliche Vorteil immer mehr verflüchtigte. Im Endspiel erwies sich dann der gedeckte Freibauer auf d4 als zu stark.
Atila Figura, welcher auch stark in die Nachwuchsarbeit involviert ist, wie sein Gegner natürlich auch, wurde am Sonntag durch Manfred Glienke ersetzt. Gute Besserung noch einmal von hier aus.

Bei Roland blicke ich naturgemäß am wenigsten durch. In einem königsindischen Fianchettosystem versuchte er die durch GM Kalinitschew angestrebte Initiative zu neutralisieren, was ihm mit zunehmender Spieldauer immer mehr gelang. Im Endspiel wich Roland sogar mal dem Damentausch aus, das Gleichgewicht schien aber trotzdem nie gefährdet. Solider Vortrag.

Apropos gefährdet: Unsere Zielstellung war es, auch laut Stephan Rauschs Ansage, einen Punkt insgesamt zu ergattern. Brettpunkt wohlgemerkt. Dieses Projekt schien auf Grund des übermächtigen Gegners am Sonntag doch stark auf Eis zu liegen.

Am Abend haben wir, im Rahmen unserer Möglichkeiten und Bedürfnisse, Berlin unsicher gemacht.
Na, ja nicht wirklich. Wir fanden eine gemütliche Gelegenheit, bei angenehmem Wetter draußen, nach dem Verzehr, Doppelkopf zu spielen. Einsetzende Dunkelheit und leicht irritierte Blicke des Personals sorgten dann für ein plausibles Ende. Ein kurzer Abstecher zum ehemaligen Checkpoint Charlie rundete dann den Abend ab.

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Die Erinnerung an die damalige Zeit wird in Berlin durch das Mauermuseum aufrechterhalten und sollte uns, bei allen berechtigten Kritiken an bestehenden Unzulänglichkeiten, daran erinnern, dass es keine Selbstverständlichkeit war und ist, in einem geeinten Berlin und Deutschland solche Wettkämpfe durchzuführen.

Im Hotel angekommen machte sich im Erdgeschoss überraschend laute Musik bemerkbar. Da unsere Zimmer in der ersten Etage lagen, waren wir doch stark in Mitleidenschaft gezogen. Während bei Andreas und mir die Müdigkeit alle Versuche der Bässe, uns wachzuhalten, übertünchte, löste bei Hendrik erst ein weit, weit nach Mitternacht erfolgter Umzug in die 6.Etage das Problem. Roland hielt irgendwie tapfer durch.

Die Zeit vor dem Frühstück wird auch sinnvoll überbrückt.
Die Zeit vor dem Frühstück wird auch sinnvoll überbrückt.

Anderen, genau genommen gleichen Tages kommentierte der souverän durch die Veranstaltung führende Schiedsrichter Martin Sebastian die Geschehnisse mit den Worten: „Was denn, Wochenende in Berlin und schlafen?“ Naja, waren wir wenigstens putzmunter.

Unter diesen Umständen war Hendriks frühzeitiges Remis natürlich noch mehr wert. Vor einiger Zeit war Hendrik bei einer Jugend-WM mal Betreuer von SF Meier. Vielleicht aus ein wenig Respekt und der objektiven Einschätzung der Stellung akzeptierte Hendriks Gegner die frühzeitige Offerte.
Damit war unsere Zielstellung zumindest erreicht. Dass es dann fast zu eine Art Wettkampf kam, grenzte schon an ein Wunder.

Roland an zwei musste sich starken Drucks erwehren. Aber hallo, gegen einen Ex-WM und 2700er mit Schwarz verteidigte er sich zäh und prächtig! Mit intensiver Rechenleistung (Roland zeigte nach der Partie ein paar Varianten) hielt er die Stellung trotz zweier bedrohlich stark stehender Schimmel zusammen. Tolles Wochenende für Roland Voigt.
Grüße auch an die Spieler seines Heimat- und Ursprungsvereines SV Chemie Böhlen, welche die Geschehnisse sicher auch mit Interesse verfolgt haben. Ich erlaube mir anzumerken, dass in dieser Form die Teilnahme an mindestens 9 der 11 Oberligaspiele der kommenden Saison durchaus für eine dritte und finale IM-Norm reichen könnte. Roland selber sieht das wohl ziemlich locker und nimmt diese dann ggf. unaufgeregt mit.

Mein Remis hingegen war völlig unverdient. Ich durfte gegen Jan Gustafsson spielen und links von mir saß Jan Timman. Der eine das Idol meiner Jugend, damals der stärkste west­europä­ische Spieler, der andere, wegen seines sympathischen Fernsehauftrittes in der NDR-Talkshow auch meiner Kollegin bekannt. Gegen den, mir persönlich noch wegen seiner Affinität zum Pokern nahestehenden Mannschaftseuropameister von 2011, hätte ich mir in einem Heads-Up am Pokertisch natürlich größere Chancen ausgerechnet. Das hat selbstverständlich auch statistische Gründe. Die Partie selber nahm dann einen typischen Amateur-Profi-Verlauf. Nach einer Ungenauigkeit in der Eröffnung ließ sich der GM nicht auf einen unklaren Bauerngewinn mit ruinierter Struktur ein, sondern behielt bei materiellem Gleichgewicht seinerseits die bessere Struktur und überspielte mich ins Endspiel hinein. Meine verbliebenen Figuren (T+L) fanden nur noch schattige Plätzchen auf der eigenen Grundlinie und ein dominierender, ewiger Springer auf c4 und ein Turm auf der offenen Linie schickten sich an meinen Bauern und damit auch meiner Stellung den Garaus zu machen. Aus verständlichen Gründen (für Baden war das Spiel um Platz drei nur eine Pflichtübung) guckte SF Gustafsson nicht mehr so richtig hin und erlaubte eine Aktivierung meiner verbliebenen Figuren. Mit anderen Worten: Sein Gaul hatte sich vergaloppiert. In der Schlussstellung hätte ich noch, mit passiver Stellung, mit Figur für zwei Bauern zarte Gewinnversuche unternehmen können. Dies wäre aber nach der Vorgeschichte der Partie entschieden des Guten zu viel und ich ergriff mit einer Zugwiederholung den Spatz in der Hand.

Blieb noch Andreas. Wer hätte das gedacht, dass wir tatsächlich einen Wettbewerb hatten.
In einer schwerblütigen, lange Zeit recht geschlossenen, Stellung der königsindischen Verteidigung, erwies sich der geduldig am Damenflügel vorgetragene Angriff als stichhaltiger. Ein Remis war aber hier wohl nie ernsthaft in Sicht. So stellte GM Fabian Döttling den Siegpunkt im Spiel um Platz drei sicher. Für uns natürlich trotzdem ein ehrenhaftes Resultat.
Der mehrfache Deutsche Meister und Pokalsieger wird sicher diese eine, fehlende Trophäe verschmerzen. Schön wäre es, wenn nun auch mal der Europapokal nach Deutschland geholt werden könnte. Dazu jetzt schon viel Erfolg.

Etwas konzentrierter gingen es die Porzer im Finale an, was sich in einem souveränen 4-0 manifestierte. Den Mannen um Mannschaftsleiter Georg Hinz ist dieser Erfolg ebenso zu gönnen. Vielleicht gibt es eines Jahres doch wieder die Möglichkeit, die verhärteten Fronten zur Schachbundesliga aufzuweichen und dort zu spielen, wo sie hingehören.

Der Pokalsieger SG Porz mit dem tatsächlich „überragenden“ Spieler am Pott.
Der Pokalsieger SG Porz mit dem tatsächlich „überragenden“ Spieler am Pott.
Christopher Lutz, Jan Timman, Loek van Wely, Vladimir Baklan

An dieser Stelle muss auch den rührigen Gastgebern um die Vereinsvorsitzende Brigitte Große-Honebrink mit ihren Helfern für ihr Engagement gedankt werden. Eine gute Versorgung und schöne Spielbedingungen sorgten für ein angenehmes Wochenende. GM Robert Rabiega begleitete die Veranstaltung mit Live-Kommentaren.

Sebastian Schmidt-Schäffer, Große-Honebrink, Kalinitschew, Glantz; Glienke, Schmidt
SK Kreuzberg mit Funktionären
Sebastian Schmidt-Schäffer, Große-Honebrink, Kalinitschew, Glantz; Glienke, Schmidt

Bliebe noch ein wenig über die Zugfahrt und das damit verbundene Doppelkopf zu berichten. Auf Grund der Hochwasserlage war ohnehin mit deutlich längeren Fahrzeiten zu rechnen. Durch rechtzeitige Abfahrt und eines gebuchten Tisches konnten wir das Ganze recht entspannt angehen. Auch im Doppelkopf, dort vielleicht weniger überraschend, war es Rolands Wochenende. Auf den Plätzen wechselten immer mal die Platzierungen, was mit zweiten Plätzen von Andreas und mir in den diversen Runden schon etwas ungewöhnlich war. Hendrik bekam einfach absolut keine Karten, aber nahm das mit Hinweis auf die statistische Wahrscheinlichkeit stoisch zur Kenntnis. Besonders ich möchte mich bei meinen Mit- und Gegenspielern für die aufgebrachte Geduld und das Verständnis ob mancher Ungenauigkeit bedanken. Trotz unserer Niveauunterschiede hat es wohl allen Spaß gemacht. Hier noch die besten Sprüche vom Wochenende:

„Dieses Re ist kontraproduktiv…“
„Jetzt aber Schell!“
„Aus der Mitte entspringt ein Re(h).“

Auf der Rückfahrt, ob der Zick-Zack Bewegungen des Zuges und solcher ungewohnter Ortschilder wie Baruth, erwuchs das Bedürfnis mittels eines Kompasses das Geschehen zu verfolgen. Während ich noch gedanklich sinnierte, die modernen App-Techniken zu nutzen (gibt es natürlich auch schon), warf Roland in gefühlten 0.4 Sekunden die Hardware Kompass 1.0 auf den Tisch.

Dies und verständlicherweise vieles Andere mehr, ließen das Wochenende zu einem Ereignis machen, von dem wir noch eine Weile zehren können.

Ich wünsche uns allen endlich einen schönen Sommer, angenehmen Urlaub und eine erfolgreiche neue Saison.


3 Antworten auf “Berlin, Berlin, vier fahren nach Berlin!”

  1. 1. Hermann schrieb:

    Danke an Thomas für den schönen Bericht und nochmal Glückwunsch an alle zum zähen Ringen mit den DWZ-schweren Gegnern!

    Hier noch einige Links zum Thema:

    Deutscher Schachbund:
    08.06.2013: Porz schaltet Baden-Baden aus
    09.06.2013: Porz holt mit einem 4:0 den Pokal

    SC Kreuzberg:
    08.06.2013: Finale!!!
    09.06.2013: SG Porz ist Deutscher Pokalmeister 2012/2013

    Berliner Schachverband:
    09.06.2013: Finale – Die Kreuzberger sind dabei
    10.06.2013: SC Kreuzberg verliert 0:4, wird aber Zweiter
    Bilder von Frank Hoppe auf dropbox

    Auch Joachim Solberg hat auf seinem Blog wieder über unser Abschneiden im Pokalfinale berichtet:

    07.06.2013: SG Leipzig spielt Pokal-Endrunde
    09.06.2013: Porz gewinnt die Deutschen Pokalmeisterschaften

  2. 2. Roland schrieb:

    Wie üblich hat Thomas die Atmosphäre in seinem Bericht auf sehr schöne Weise festgehalten, dafür von mir herzlichen Dank.
    Morgen abend im Hörzentrum wird es eine kurze Vorstellung einiger Pokalpartien geben.

  3. 3. Frank Jäger schrieb:

    Mit einer IM-Norm wird es in der Oberliga für Roland leider nichts. Normen gibt es nach einer Änderung in den FIDE-Bestimmungen nur noch, wenn durchgehend ein Internationaler Schiedsrichter bzw. FIDE Schiedsrichter anwesend ist. Das ist bei der Oberliga nicht der Fall. Normen wird es daher nur noch bei der 1. und 2. BL sowie der 1. FBL geben können.

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